Ab 7.11.24: Das Kinderstück „Woche – Woche“

Über die Vielfalt von Familienmodellen nach Trennungen, die Suche nach dem eigenen Platz und wann ein Zuhause ein Zuhause wird.
©David Baltzer | bildbuehne.de

Am Anfang stand das klassische „Vater, Mutter, Kind“. Dann kamen „Stiefmutter“, „Bonus-Schwester“ und „Bonus-Bruder“ dazu. Jeden Sonntag um 16 Uhr wechselt der siebenjährige Nunu die Familie – von ‚allein mit Mama‘ zu ‚zu fünft mit Papa‘. Jeden Sonntag gibt es Streit: Papa kommt zu spät, Mama zu früh oder Nunu ist nicht richtig angezogen. Und immer, wenn sich die jeweilige Familie gerade wie ein Zuhause anfühlt, muss er schon wieder wechseln. 

Die 42-jährige, in Berlin lebende Autorin Lara Schützsack erzählt in ihrem Stück „Woche – Woche“ die Situation von Scheidungskindern, die zerrissen sind zwischen den Familien und dem wöchentlichen Wechsel ihres Zuhauses. Man fühlt mit dem siebenjährigen Nunu hautnah mit, was es heißt, wöchentlich Abschied zu nehmen und sich ständig auf die zwei Familienmodelle „allein mit Mutter“ und „Familie mit neuer Mutter und drei Geschwistern“ einzulassen. „Meine Kinder leben genau in einem solchen Wechselmodell, wie ich es in dem Stück ‚Woche-Woche‘ beschrieben habe“, erklärt Autorin Lara Schützsack. „Wir Eltern haben das einfach so für sie entschieden. Aber ich frage mich oft, wie fühlen die Kinder sich eigentlich dabei? Ich habe mich selbst und all die getrennten Eltern um mich herum beobachtet, meine und andere Kinder befragt, und dann habe ich all diese Beobachtungen und Erfahrungen in das Stück gepackt. “ 

Und das ist ihr hervorragend gelungen, denn für „Woche – Woche“ wurde sie mit dem Berliner Kindertheaterpreis 2023 ausgezeichnet, einem seit 20 Jahren ausgeschriebenen Wettbewerb von GRIPS und GASAG, der als einer der renommiertesten und erfolgreichsten im deutschsprachigen Raum gilt. „Lara Schützsack erzählt ein relevantes Thema witzig und emotional, das uns Erwachsenen den Spiegel vorhält und gleichzeitig Kindern Mut macht, auch mal wütend zu sein und sich gegen die Eltern zu stellen – denn man wird trotzdem von ihnen geliebt“, lobte Jurymitglied Nicole Kellerhals in ihrer Laudatio. „Ihr herausragendes Theaterstück hat die Jury in jeder Hinsicht überzeugt, denn sie kreiert eindrucksvoll lebensnahe und einzigartige Figuren, mit einer kindgerechten Sprache, die trotzdem Raum für Inszenierung und Spielfreude lässt. “ 

Ein für das GRIPS Theater ganz neues künstlerisches Team bringt „Woche -Woche“ auf die große Bühne am Hansaplatz. Ellen Uhrhan führt Regie, die Musik übernimmt Jarita Freydank, Bühne und Ausstattung verantwortet Sanghwa Park, Omar Gabriel steuert die Videoinstallationen bei und Robert Ssempijja zeichnet für die Choreographie verantwortlich. 

Als irgendwann gar keine Lösung mehr in Sicht ist, schenkt Yella Nunu einen Goldfisch. Damit sind seine Eltern gar nicht einverstanden, „so ein Fisch kann doch nicht immer hin und her. Das ist viel zu anstrengend für ihn“, sagt die Mutter. „Stell dir das doch mal vor. Dann muss er sich jedes Mal an ein neues Aquarium gewöhnen. Das ist doch Quälerei! “ meint der Vater.Was nötig sein wird, damit am Ende beide Familien für Nunu und seinen Goldfisch ein tolles Zuhause werden, und welche Rolle ein Vulkan, Yella und Max dabei spielen werden, das erzählt Lara Schützsack in ihrem Stück „Woche – Woche“.


Kim Biebow („Yella“) und Eike N.A. Onyambu („Nunu“) | ©David baltzer/bildbuehne.de

„Lara Schützsack ist da ein ganz neuer Zugriff auf das Thema Trennung und Patchworkfamilie gelungen. Sie fragt konkret nach den Auswirkungen auf den Alltag des Kindes und den neuen Familien, zwischen denen es wochenweise hin- und herwechselt. Diese Wechselmodelle kennen so viele Kinder in Berlin, hier leben ja bundesweit die meisten getrennten Paare, wo die Kinder nicht in der Kernfamilie aufwachsen. Lara Schützsack erzählt als Autorin mit sehr viel Respekt, Humor, großer Lust und ganz konsequent aus der Sicht des Kindes. Sie kreidet nichts an, sondern zeigt auf. Es ist auch ein wichtiges Stück für uns Erwachsene, diese Kindersicht auf unterschiedliche Familienmodelle zu erleben. Das ist die Stärke des Stücks.“ 

Philipp Harpain, GRIPS-Leiter
TEAM 

Regie Ellen Uhrhan | Bühne und Kostüm Sanghwa Park  | Musik Jarita Freydank | Choreografie Robert Ssempijja | Video Omar Gabriel | Dramaturgie Henriette Festerling | Theaterpädagogik Lama Ali | Mit Kim Biebow, Eike N.A. Onyambu, Katja Hiller, Marius Lamprecht, Jens Mondalski

VITAE

Lara Schützsack, geboren 1981 in Hamburg, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Potsdam. Es folgte ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Ihre Drehbücher, Theaterstücke und Kinderbücher wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Berliner Kindertheaterpreis (2022), Paul Maar-Preis für junge Talente – Korbinian (2019) oder dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis (2014). Lara Schützsack lebt mit ihren zwei Kindern in Berlin.  

Ellen Uhrhan ist freischaffende Regisseurin, Theaterpädagogin und politische Bildnerin. Sie konzipiert und leitet verschiedene kulturelle Bildungsprojekte mit Jugendlichen im Kontext von Theater und Diskriminierung. Ellen hat mit Kindern, Jugendlichen und Profis inszeniert. Ihren Masterabschluss in Theaterpädagogik absolvierte sie an der UdK Berlin.