Damit ist der Hansaplatz offiziell der obdachlosenfeindlichste Platz Berlins
Im Rahmen der Verleihung der Goldenen Keule am 21.11.2021 entschied sich eine Fachjury aus mehrheitlich obdachlosen Menschen für den Hansaplatz als obdachlosenfeindlichsten Ort Berlins, die Vielfalt der Verdrängungsmaßnahmen überzeugten am Ende. Mit im Rennen um den Preis waren der Ostbahnhof, der Alexanderplatz und die Habersaathstraße.
Es kam, wie es zu Zeiten der Pandemie kommen musste: Corona-bedingt gab es kurz vor der Veranstaltung noch einige Ausfälle, die dafür sorgten, dass die Fachjury ihre Zusammensetzung änderte. Der Anteil an obdachlosen Menschen blieb jedoch gleich und so startete am Sonntag mit leichter Verspätung vor voll besetztem (!) Haus in die erste Verleihung der Goldenen Keule. Zum Einstieg gab es eine Szene aus dem Stück AUS DIE MAUS, die GRIPS-Schauspielenden Regine Seidler und Frederic Phung moderierten den Abend. Nach einem kurzen Einstieg von Andreas Abel von Gangway e.V. und GRIPS-Leiter Philipp Harpain darüber, wie es überhaupt zu diesem Preis kam, gab es von Schirmherr Florian Bartholomäi ein Grußwort. Dann stellten die Ortspat*innen Daniela Radlbeck vom Paritäter Berlin, Andreas Abel von Gangway e.V., Annegret Taube von der Berliner Obdachlosenhilfe und Uwe Tobias von querstadtein.org die nominierten Orte vor und zeigten mithilfe anschaulicher Bilder, wie subtil oder offensichtlich Obdachlose dort verdrängt werden. Dann zog sich die Jury zurück und beriet.
Am Ende war es knapp: Nach einer intensiven Debatte setzte sich der Hansaplatz gegen den Zweitplatzierten, den Berliner Ostbahnhof, durch. Dort schlug zwar die defensive Architektur zu Buche: der Abbau von Sitz- bzw. Liegemöglichkeiten wie Bänken und Bushaltestellenhäuschen, die Präsenz der Bundespolizei inklusive Überwachung und Schikane Obdachloser, der Rückbau von Grünflächen und Rückzugsorten, schließlich die Transformation zu einem unwirtlichen Durchgangsort.
Das Zusammenspiel von Zivilgesellschaft, Verwaltung und Lokalpolitik brachte dem Hansaplatz den Sieg ein!
Doch der Hansaplatz gewann letztlich mit unrühmlicheren Verdrängungsmaßnahmen: So kam es auf einer von Anwohner*innen, Gewerbetreibenden und Lokalpolitiker*innen organisierten Versammlung zu Ausgrenzungsfantasien gegen Obdachlose, z.B. ihnen nichts mehr zu verkaufen oder keinen Pfand mehr von ihnen anzunehmen, und zur Pöbelei gegen die Berliner Obdachlosenhilfe, die dort wöchentlich am Sonntagabend eine Essensausgabe organisiert. Eine später installierte Höhenbeschränkung für die (nicht überdachte) Parkfläche vor Ort sorgte dafür, dass deren Bus nicht mehr auf den Platz fahren konnte. Anfang 2020 wurde darüber hinaus eine zweifelhafte Platzordnung aufgestellt. Diese vermischte öffentlichen und privaten Raum, stattete Sicherheitsdienste mit eigentlich Polizei-exklusiven Befugnissen aus und verstieß gegen das Grundgesetz (Verbot von unnötigem Aufenthalt im öffentlichen Raum). Der Sicherheitsdienst, der die Platzordnung durchsetzen sollte, wurde anteilig vom Inhaber des ansässigen „Shopping Centers“ und vom Bezirksamt finanziert. Eben jene Verbrüderung von privaten, behördlichen und politischen Akteur*innen gegen obdachlose Menschen war ausschlaggebend für die Entscheidung der Jury, den Hansaplatz mit der „Goldenen Keule 2021“ auszuzeichnen.
Als Schirmherr der Veranstaltung übergab Schauspieler Florian Bartholomäi den Preis ersatzweise an den Gangway-Streetworker Andreas Abel, da von den Verantwortlichen bedauerlicherweise niemand der Einladung zur Verleihung gefolgt war.
Desweiteren waren nominiert die Habersaathstraße, wo seit zehn Jahren 85 Wohnungen leer stehen und Obdachlose sofort geräumt wurden, nachdem diese jene Wohnungen vor rund einem Jahr besetzt hatten, und der Alexanderpatz mit verstärkter Überwachung durch Kameras und Polizeipräsenz, mit einem fragwürdigen Alkoholverbot, mit Mülleimern, in die sich nicht mehr reingreifen lässt, und weiterer sogenannter defensiver Architektur, um ein längeres Verweilen auf dem Platz unmöglich zu machen.
Die Berliner Obdachlosenhilfe nimmt die Goldene Platte mit nach Hause!
Gewinnerin der Goldenen Platte, des Positiv-Preises für besonderes Engagement, war dagegen die Berliner Obdachlosenhilfe, die seit acht Jahren obdachlose Menschen in der Stadt unterstützt. Laudator und Gangway-Fachsteuerung Juri Schaffranek übergab diesen Preis nicht ohne einen Apell an die Stadtpolitik und -gesellschaft, die zur Beseitigung der Obdachlosigkeit notwendigen Wohnungen im geschützten Marktsegment zur Verfügung zu stellen und Kapitalinteressen endlich den realen Bedürfnissen von Bewohner*innen dieser Stadt unterzuordnen.
Musikalisch führte Paul Geigerzähler mit seiner Geige und systemkritischen Texten durch den Abend!
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Die GOLDENE KEULE ist eine Veranstaltung von GANGWAY e.V. in Kooperation mit dem GRIPS Theater. Unterstützt durch den Paritätischen Landesverband Berlin, das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, den Humanistischen Verband Berlin Brandenburg, die Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen, den Arbeitskreis Wohnungsnot, die BAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit, das Armutsnetzwerk, die Berliner Obdachlosenhilfe, KLIK, den Strassenfeger, das GRIPS-Theater, querstadtein.org, die Tiny House Foundation, das Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn und die Aktivistinnen für Wohnen, Mieten und Soziales.
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