Ab 21.3.: „Upload Virgin“

Regisseurin Jacqueline Reddington erarbeitet mit dem Ensemble ein Stück über toxische Männlichkeit im Netz

 Luc (14) und Pauline haben sich ineinander verliebt, als sie mit ihrer Klasse zu Besuch in Berlin war. Obwohl sie in Stuttgart lebt, ist so eine Distanz dank digitaler Kommunikation kein Problem, beide chatten mehrmals am Tag, schicken sich Text-, Audio- und Videonachrichten, die Emojis reichen gar nicht aus für ihre Gefühle. Doch dann kündigt Pauline ihren Besuch an. Und Luc kommt ins Schwitzen: Was erwartet sie von ihm? Was kann er ihr bieten? Wird sie ihn immer noch gut finden? Wird oder muss es sogar zum ersten Mal kommen? Und überhaupt: Wie muss er sich als Mann ihr gegenüber präsentieren? 

Luc sucht Rat in der Chatgruppe mit den Kumpels. Für die ist klar: Da muss was laufen. Luc sucht nach Antworten bei Ratgebern im Netz: Von Social-Media-Stars über Fitness-Trainer bis hin zu Frauen-Coaches, Pickup Artists und Pornostars. Alle haben Tipps zur gelungenen Selbstoptimierung und Präsentation. Einige sind hilfreich, andere nicht. Doch Emotionen, Dramatisierungen, Angstmache, Provokationen und Tabubrüche sind Teil der Sache, denn sie bringen Reichweite, so einfach ist das mit dem Algorithmus. Luc lässt sich nicht nur von seinen Kumpels mitreißen, sondern gerät immer mehr in den Sog digitaler Versprechungen.

Schauspieler Marcel Herrnsdorf und Regisseurin Jacqueline Reddington haben sich während der Lockdowns in die Tiefen des Netzes begeben, weil sie sich fragten, wie Liebe unter Jugendlichen im digitalen Raum funktioniert. Beide habe nicht schlecht gestaunt, wie schnell man warum bei welchen Ratgebern landet, tiefe menschliche Abgründe inbegriffen. Aus dieser Erfahrung ist das Konzept für das Theaterstück „Upload Virgin“ entstanden. 

Die deutsch-amerikanische Regisseurin Jacqueline Reddington hat sich schon seit ihrem Studium an der Münchner Otto-Falkenberg-Schule damit beschäftigt, wie sie adäquat die digitalen Welten auf die Bühne bringen kann. Nach Stationen in Mannheim, Wiesbaden, Ingolstadt und Dresden, ist sie mittlerweile versiert darin, ihr Credo: Nicht das Theater digital machen, sondern das Digitale theatral. An ihrer Seite sucht die Video-Künstlerin Chloe Kelly für die Bühne die filmische Übersetzung der Chat- und Browsingverläufe. Das Grundgerüst von „Upload Virgin“ stand zu Probenbeginn Anfang Februar fest, unter Anleitung von Jacqueline Reddington entwickelt das Ensemble das Stück, schreibt selbst die Texte, improvisiert und arbeitet auch mit Fremdtexten. 

Irgendwann passiert das, was nicht passieren sollte: Luc schickt versehentlich Pauline eine sehr zweifelhafte Aussage. Wie wird die Liebesgeschichte weitergehen? Wird sie überhaupt weitergehen? Das hat das Ensemble in einer 7. Klasse gefragt, die Jugendlichen waren uneins, ob die Beziehung dennoch eine Chance haben könnte. Wofür sich das Ensemble entschieden hat, kann man ab 21. März 2023 bei der Uraufführung im GRIPS Podewil miterleben. 

Team: Regie: Jacqueline Reddington | Bühne und Kostüm: Florian Buder | Musik und Sounddesing: Markus Rom | Video: Chloe Kelly | Dramaturgie: Tobias Diekmann | Theaterpädagogik: Anna-Sophia Fritsche | Es spielen Lisa Klabunde und Marcel Herrnsdorf

Karten, Infos und Termine zu UPLOAD VIRGIN

Vita Jacqueline Reddington:

©Gerald von Foris

Jacqueline Reddington, geboren 1992, ist eine deutsch-amerikanische Theaterregisseurin, die u.a. in Belgien und Luxemburg aufwuchs. Von 2010-2014 besuchte sie das Bard College in New York, welches sie mit einem Bachelor of Arts in Theatre and Performance abschloss. Anschließend studierte sie Physical Theatre an der École Internationale de Théâtre Jacques Lecoq in Paris. 2015 begann sie ihr Regiestudium an der Otto Falckenberg Schule in München. Im Rahmen ihres Studiums inszenierte sie u.a. Volumnia (eingeladen zum UWE Festival 2017), Tits or GTFO (Münchner Kammerspiele, 2016 – im Rahmen des Werk It! Festivals), FINNISCH (Münchner Kammerspiele, 2018 – eingeladen zum OUTNOW! Festival 2019), sowie ihre Abschlussinszenierung Gläserne Bienen, (Münchner Kammerspiele, 2019). Zudem assistierte Reddington an den Münchner Kammerspielen bei Phillippe Quesne und Susanne Kennedy.

Abseits der Bühne realisierte sie mehrere Projekte im öffentlichen Raum. Für die Ausstellung „40 Jahre ‘Honigpumpe am Arbeitsplatz’ – Hommage an Joseph Beuys“ in der Pinakothek der Moderne, entwickelte sie 2017 die interaktive Installation Soziale Schönheit. Im Rahmen des Festivals „Revolution & Wahnsinn 2018“ agierte sie als Teil des Regieteams von GASTFREI, eine interaktive Begehung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität.

Seit ihrem Studienabschluss inszenierte sie u.a. Die Leiden des jungen Werther (Nationaltheater Mannheim, 2020), Der Sandmann (Staatstheater Wiesbaden, 2021), Die Prognose  (Stadttheater Ingolstadt 2022 – im Rahmen des Futurologischen Kongress III) und ELIZA Effekt (Staatsschauspiel Dresden 2022). Zuletzt konzipierte und co-realisierte sie die Performance-Installation ZU VERSCHENKEN im Rahmen der What is the City? Forschungsresidenz (Münchner Kammerspiele 2022).

Ihre Inhalte beschäftigen sich häufig mit dem Phänomen der Digital Culture in seiner gesellschaftlichen Spiegelfunktion. Ihr methodisches Interesse gilt dem Reframing solcher Themen und einer Neubewertung ihrer theatralen und emotionalen Qualitäten auf der Bühne.
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