Für einen offenen Bildungsbegriff!

Offener Brief an die Kultusministerkonferenz

Anlässlich des bundesweiten Bildungsprotesttags am 23. September 2023 teilen wir an dieser Stelle den Offenen Brief von 20 Berliner Didaktik-Professor*innen, welche Kritik an den Gutachten und den damit verbundenen Entwicklungen üben, Bildung auf die Basiskompetenzen Lesen, Rechnen, Schreiben zu reduzieren. Als Theater, welches Kindern und Jugendlichen Räume eröffnet, jenseits von „Richtig-Falsch“ zu lernen und unser Publikum immer als Expert*innen ihrer eigenen Bildung und Lebensrealität begreift, möchten auch wir darauf aufmerksam machen: Nicht alle Bildungsprozesse lassen sich beziffern und messbar machen – Für einen offenen Bildungsbegriff! Wir suchen und schätzen unsere Kolleg*innen in schulischen Kontexten und freuen uns, gemeinsam mit ihnen Bildung anders zu denken und zu planen.

Der Brief ist auch inklusive aller Erstunterzeichner*innen als PDF verfügbar auf der Homepage des Zentrums für Bildungsforschung.

Offener Brief von Bildungswissenschaftler*innen und Fachdidaktiker*innen an die KMK
gegen eine Verengung des Bildungsdiskurses

von
Prof. Dr. Petra Anders, Deutschunterricht und seine Didaktik in der Primarstufe, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Malte Brinkmann, Allgemeine Erziehungswissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof.in Dr. Cornelie Dietrich, Allgemeine Grundschulpädagogik, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Stephan Breidbach, Fachdidaktik Englisch, Humboldt-Universität zu Berlin

“ Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) fordert – auf Grundlage eines umfassenden Gutachtens – in verschiedenen Veröffentlichungen (u.a. vom 9.12.2022) – eine Neuorientierung des Grundschulunterrichts sowie der Aus- und Fortbildung im Grundschullehramt im Sinne der Konzentration auf die Fächer Deutsch und Mathematik und des Einübens zentraler Basiskompetenzen des Lesens, Schreibens und Rechnens. Die SWK empfiehlt ferner, den Lernstand der Kinder mit mehreren Diagnosezeitpunkten pro Jahr
kontinuierlich zu prüfen und eine einzuführende Fortbildungspflicht für praktizierende Lehrer*innen auf diese Fächer zu beschränken.

Die hier Unterzeichnenden teilen die Kritik der SWK an der noch immer zu hohen Anzahl an Kindern, deren Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik nach dem Besuch der Grundschule unterhalb der Minimalstandards liegen.

Die Unterzeichnenden teilen die Einschätzung zur Notwendigkeit von Schulentwicklung in vielen Punkten und beteiligen sich seit vielen Jahren sowohl an Ursachenforschung als auch an Forschungen zur Qualitätsentwicklung von Unterricht sowie zum Abbau schulischer Reproduktion sozialer Ungleichheit und Segregation.

Die Unterzeichnenden sehen in der Arbeit der SWK und dem daraus erwachsenden
Gutachten unterstützenswerte Anliegen, widersprechen jedoch der alleinigen Konzentration
auf
a) die Minimalstandards,
b) die im Gutachten genannten zwei Fächer/Fachdomänen (Mathematik, Deutsch) und
c) ein monomethodisches Kompetenzverständnis.

Mit den folgenden Überlegungen soll auf konstruktive Weise auf eine Theorie- und Methodenvielfalt innerhalb der Bildungsforschung verwiesen werden. Diese ist notwendig, um das komplexe Geflecht von Ursachen, Testbefunden sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungen des Schulsystems sowie der Bildungs- und Lernprozesse aller
Grundschulkinder – und im Übrigen auch von Schüler*innen jenseits der Grundschule – zu bearbeiten, Lehrer*innen angemessen zu professionalisieren und Schule erfolgreich zu entwickeln. Ein theoretisch, fachlich und methodisch breiter aufgestelltes Bildungsmonitoring ist dringend erforderlich.

  1. Grundlegende Reflexion des Bildungsmonitorings
    Seit mehr als 20 Jahren werden international vergleichende und innerdeutsche (Mathematik-, Naturwissenschafts- und Lese-) Leistungsstudien wie PISA, VERA etc. – für den Bereich des mathematisch-naturwissenschaftlichen Lernens auch TIMSS – in der Erwartung durchgeführt, durch Standardisierung von Kompetenzerwartungen, Evidenzbasierung und die damit einhergehende Fokussierung auf messbare Kompetenzen in ausgewählten Fächern Schülerleistungen zu verbessern. Dieselben Tests zeigen durchgehend, dass die hier vermessenen Kompetenzen der Schüler*innen nach einer Phase der Steigerung nur geringfügig besser (und in TIMSS-Naturwissenschaften schlechter) als vor 20 Jahren sind, wobei die damaligen Befunde bereits als besorgniserregend betrachtet wurden. Außerdem erreicht immer wieder ein nennenswerter Teil der Schüler*innen die in Kompetenzstufenmodellen normativ gesetzten Mindeststandards nicht. Die grundlegende
    Reflexion und eine Überprüfung dieser Art des Bildungsmonitorings und der daraus bisher abgeleiteten strukturellen und inhaltlichen Vorschläge stehen aus. Sie sollten stattfinden, bevor daraus Veränderungen und neue Maßnahmen abgeleitet werden.
  2. Keine kurzfristigen Maßnahmen für komplexe Fragen der Bildung
    Die Fixierung auf hohe Leistungen der Schüler*innen – die ohne Zweifel wünschenswert sind – erzeugt eine problematische Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit für kurzfristige Maßnahmen, um in den Rankings schnell aufzuholen. Die Bildungsforschung zeigt schon seit langem, dass nachhaltige Veränderungen in der Bildungspraxis Jahre, wenn nicht Jahrzehnte benötigen. Neben leistungsbezogenen sind professionsbezogene, didaktische, fachdidaktische und bildungstheoretische Aspekte sowie Schulentwicklung, Schulkultur und
    Unterrichtskultur wichtige Faktoren, die für einen guten Unterricht und eine gute Schule sprechen. Diese sollten unbedingt in ein effektives Monitoring des Schulsystems, mehr aber noch in die daraus abgeleiteten Maßnahmen einbezogen werden.
  3. Methodenpluralismus in der Schul- und Unterrichtsforschung nutzen –
    bildungstheoretische Erweiterung

    Mit der Fixierung auf einen engen Ausschnitt messbarer Aspekte von Kompetenz und auf wenige Fächer werden körperliche, emotionale, ästhetische und demokratische Dimensionen von Bildung sowie deren professionsbezogene Voraussetzungen ausgeblendet. Damit wird in Forschung, Schule und Öffentlichkeit die Vorstellung von dem, was Bildung ist und sein soll, in problematischer Weise verengt. Ein bildungstheoretisch erweiterter Begriff von Bildungsforschung sowie von Lehren und Lernen ermöglicht es daher, unbeabsichtigte Effekte eines tendenziell einseitig ausgerichteten Bildungsmonitorings zu minimieren und gewünschte Effekte deutlich wahrscheinlicher zu machen. Die Bedeutung grundlegender sprachlicher und mathematischer Fähigkeiten – auch in ihrer Schlüsselfunktion für gesellschaftliche Teilhabe im engeren wie weiteren Sinn – steht hier nicht in Frage. Auch der Forderung nach Evidenzbasierung ist grundsätzlich zuzustimmen. Jedoch blendet die
    monomethodische Ausrichtung von Evidenzbasierung auf der Grundlage lediglich kognitivpsychometrischer Modelle die Pluralität der Ansätze und Methoden in der Bildungsforschung aus. Das hat zur Folge, dass sich der Blick auf das Lernen und insbesondere auf Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern verengt und damit wichtige Aspekte, die der allgemeine Erziehungs- und Bildungsauftrag der (Grund-)Schule formuliert, marginalisiert werden. In der Folge steigt das Risiko, dass Schule, Lehrpersonal und die stützenden Strukturen an einem umfassenden Verständnis von Bildung und Erziehung vorbeientwickelt werden. Im Gegensatz zu dem im Gutachten favorisierten Forschungsparadigma haben qualitative, professionsbezogene, allgemeindidaktische und fachdidaktische Methoden der Schul- und Unterrichtsforschung den Vorteil, dass sie den Blick für Merkmale guten Unterrichts, die die Heterogenität und Komplexität des Gegenstandes abbilden, öffnen. Aus bildungspolitischer
    Sicht ist ferner festzustellen, dass zu einer demokratischen Gesellschaft auch der Diskurs sowie die Pluralität von Forschungsansätzen gehören, die zur Unterrichts- und Schulentwicklung sowie zur berufsbiografischen Professionalisierung von Lehrkräften beitragen.
  4. Schulischer Kompetenzerwerb erfolgt in sozialen Situationen
    Die Ausrichtung auf ein individualpsychologisches Menschenbild, demzufolge sprachliche, mathematische und emotional-soziale (sowie alle anderen) Kompetenzen einer einzigen Logik folgen und entsprechend individuell diagnostiziert und isoliert trainiert und gefördert werden können, übersieht viele Ergebnisse der Ungleichheitsforschung. In dieser wird gezeigt, dass z.B. emotional-soziale Verhaltensauffälligkeiten nicht von den Kindern mitgebracht, sondern in Schule erst entwickelt werden, und zwar in multikausalen Zusammenhängen von schwierigen Passungsverhältnissen, die sich nicht auf fachliche Domänen reduzieren lassen und die nicht Individuen eindeutig zugerechnet werden können. Es bräuchte daher mindestens auch eine sozialtheoretisch informierte, sozialpädagogische und gruppenbezogene Diagnostik und Förderung. Letztlich ist eine auf Einzelleistungen abzielende Kompetenzerwartung in einer auf Kollaboration und Kommunikation beruhenden
    globalisierten Gesellschaft kaum noch zeitgemäß und dringend ergänzungsbedürftig.
  5. Bildungspotenziale des Fächerverbundes anerkennen
    Die von der SWK geforderte Fokussierung auf die Fächer Deutsch und Mathematik missachtet das Bildungspotenzial aller anderen Fächer des Grundschulunterrichts, so etwa gesellschaftswissenschaftliche, historische, naturwissenschaftliche oder auch bewegungswissenschaftlich fundierte sowie musisch-künstlerisch-ästhetische Wege zur Bildung – und nicht zuletzt eine umfassende Grundlegung demokratischer Bildung. Nicht gewürdigt wird damit der unverzichtbare Beitrag bildungstheoretisch und kindheitstheoretisch fundierter Ansätze zur sprachlich-kulturellen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Sinnbildung und Differenzierung im Kindesalter; dies gilt sowohl für die Erweiterung der Fähigkeiten des Erzählens, Berichtens, Argumentierens und kritischen Reflektierens als auch für die Begegnung mit Bildern, Zeichen und Symbolen u.a. im Kontext elementarer Schriftkultur und mathematischer Logiken. Es ist zudem anzunehmen, dass mit der im Gutachten der SWK geforderten Erhöhung des Stundenanteils der Fächer Mathematik und Deutsch eine Schwächung anderer Fächer oder fachübergreifender Lerneinheiten einhergeht; eine wissenschaftsbasierte Legitimation solcher Reduktionen ist aus grundschulpädagogischer, kindheitswissenschaftlicher und bildungstheoretischer Perspektive, selbst bei Anerkennung der grundlegenden Bedeutung von Minimalstandards in der sprachlichen und
    mathematischen Domäne, nicht vorstellbar.
  6. Für eine auf die Lebenswelt der Kinder bezogene Förderung
    Den Empfehlungen der SWK vom 09.12.2022, z.B. zur Leseförderung, stehen die seit Jahrzehnten in zahlreichen fachdidaktisch ausgerichteten Forschungsprojekten empirisch nachgewiesenen Erkenntnisse bezüglich der Notwendigkeit einer sprachlich anregungsreichen und zugleich möglichst vielseitigen Umgebung im (Vor- und)
    Grundschulalter entgegen, welche den verschiedenen Ausrichtungen und Interessen des kindlichen Lernens gerecht zu werden vermag. Viele dieser Studien sehen sich ausdrücklich dem Ziel der durchgängigen sprachlichen Förderung sowie kulturellen Integration (auch) einer mehrsprachigen Schülerschaft verpflichtet. Keinerlei Berücksichtigung erfährt in den Empfehlungen der SWK ferner die für schulisches Lernen unverzichtbare Anbindung an die lebensweltlichen Erfahrungen des Kindes. In einer solchen Perspektive nämlich würde ersichtlich, dass etwa die Beobachtung und sprachlich präzise Beschreibung eines Naturphänomens, die fachsprachliche Darstellung geometrischer Formen und funktionaler Zusammenhänge ebenso wie die narrativ geprägte Schilderung einer ästhetischen Erfahrung zur Erweiterung von (immer auch sprachlich geprägtem) Verstehen und Erfahren von Welt sowie zur Einsicht in die erweiterten Möglichkeiten des Selbstausdrucks beitragen können.
  7. Sprachbildung in allen Fächern
    Die durchgängige sprachliche Bildung ist in allen Fächern relevant und ist daher eine Querschnittsaufgabe aller Fächer. Das Gutachten nimmt hingegen die meisten Fächer aus der Verantwortung für die sprachliche Bildung. Gleichzeitig wird suggeriert, das Fach Deutsch habe keine über die sprachliche Bildung hinausgehenden, fachspezifischen Kompetenzen zu vermitteln. Als Fach ist „Deutsch” jedoch gleichwohl für den Umgang mit Texten aller, auch nicht-schriftlicher, medialer Formen und für die Entwicklung des Sprachbewusstseins – z.B. durch Sprachenvergleich – zuständig; darüber hinaus partizipiert das Fach Deutsch an allen anderen Querschnittsthemen. Die Deutschdidaktik repräsentiert das Fach Deutsch in verschiedenen Forschungsschwerpunkten und hat für das Lesen und Schreiben bereits Förderinstrumente entwickelt, die bei Weitem über das im Gutachten mitgeteilte Repertoire hinausgehen.
  8. Für einen professionellen Begriff des Übens
    Die SWK bemängelt inhaltlich wenig differenziert eine unzulängliche ‚Strukturierung‘ gegenwärtigen Grundschulunterrichts und moniert eine unzureichende Berücksichtigung des ‚Übens‘. Mit Üben verbindet die SWK jedoch vor allem die iterative Einübung elementarer Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens. Aus bildungstheoretischer und didaktischer Perspektive ist Übung im Unterricht jedoch weit mehr: Es handelt sich um eine multimodale und multiperspektivische Praxis, die sich nicht nur auf den Erwerb von Wissen, sondern auch und vor allem auf den Erwerb von fach- und sachbezogenen Fähigkeiten (u.a. Aufmerksamkeit, Fehlertoleranz, Anstrengungsbereitschaft, Kreativität, Urteils- und Kritikfähigkeit) und ethischen Fähigkeiten (u.a. Ambiguitätstoleranz, Achtsamkeit, Solidarität) richtet. Die Reduktion auf sich lediglich iterative Trainingsformate ist unzureichend.
  9. Bildungsangebote in Schule, Hochschule und Fortbildung in breiter Perspektive
    Eine adaptive Entwicklung von Unterricht und Schule benötigt eine fundierte, auch fortlaufende Diagnostik. Aus allgemein- und fachdidaktischer sowie schulpädagogischer Sicht ist allerdings zu kritisieren, dass die aufwendige Vorbereitung und Durchführung stets zahlreicher werdender formaler Lernstandserhebungen dem Bildungsauftrag der Schule nicht gerecht werden. Zudem reduziert sich dadurch unzulässig die individuell bedeutsame sowie schulisch geforderte ‚Lernzeit‘ der Schüler*innen. Die SWK schlägt zudem eine durchgehende Fortbildungspflicht für Lehrer*innen vor. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme wird aus professionalisierungstheoretischer Sicht in dem Moment grundlegend infrage gestellt, in dem sie durch die Bildungsverwaltung auf wenige Fächerkontexte – hier Deutsch und Mathematik – beschränkt wird und Lehrkräfte an einer selbstgewählten und wissenschaftsorientierten Professionalisierung in allen ihren Fächern bzw. in schul- und allgemeinpädagogischen Bezügen gehindert werden. Es besteht die Gefahr, dass Fortbildungsangebote Lehrer*innen nicht mehr erreichen, die etwa von Hochschulen zu aktuellen Themen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven angeboten werden. Durch eine solche Entkopplung von Schule und Hochschule verlieren die Hochschulen eine wichtige Funktion in der berufsbegleitenden Professionalisierung von Lehrkräften.
  10. Positive Wirkung von Bottom-Up-Prozessen bei Umgestaltungen nutzen
    Die in den Empfehlungen anvisierte top-down-Struktur zur Umsetzung von Maßnahmen der Schulentwicklung, der Fortbildungsentwicklung und der Entwicklung der ersten und zweiten Phase der Lehrkräftebildung sind aus institutionstheoretischer Perspektive kritisch zu hinterfragen: Die Bedeutung der Leitungsebene von Schule für den Erfolg von Organisationsund Unterrichtsentwicklung ist zwar unbestritten – daneben belegen Studien auch, dass Instruktionen von oben vielfach lediglich eine mimetische und zeremonielle Isomorphie, eine fassadenhafte Angleichung an geforderte Maßnahmen ohne eine Entsprechung im Innern der Schulentwicklung auslösen. Eine produktive Auseinandersetzung mit den Problemen und Widerständen wird damit geradezu verhindert. Wirksame Schulentwicklung bedingt aber einen genuin partizipativen Prozess. Eine Umgestaltung der Grundschule nach den Vorstellungen des Gutachtens bewirkt auch eine Veränderung des Berufsbilds „Grundschullehrer*in”. Es müsste sorgfältig antizipiert werden, ob sich der Lehrkräftemangel zusätzlich verschärft, weil potentielle Bewerber*innen
    unter diesen Voraussetzungen (u.a. mehr Diagnostik, reduzierte Fachlichkeit, weniger pädagogisch geprägte Begegnungsmöglichkeiten, höherer Verwaltungsaufwand, Fortbildungspflicht mit weniger Wahlfreiheit) von dem Qualifizierungsziel Abstand nehmen.

Grundlegende Empfehlungen
Die Unterzeichner*innen setzen sich mit diesem Schreiben dafür ein, eine der Komplexität des Feldes angemessene Strategie zu entwickeln.

Die dem SWK-Gutachten zugrundeliegende Ausrichtung ist problematisch, weil sie einen zwar unbestreitbar wichtigen, aber nicht hinreichenden Ausschnitt auf die von Schule zu verfolgenden Lern-, Erziehungs- und Bildungsziele anspricht und damit die Tendenz befördert, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Aus- und Fortbildung in eine Richtung zu steuern, in der weitere zentrale Ziele von Schule aus dem Blick geraten.

Dies hat zur Folge, dass bestehende Dysfunktionalitäten des Bildungssystems (etwa Reproduktion von Ungleichheiten aufgrund anderer als sozio-ökonomischer Diversitätsmerkmale) ignoriert und unter der Hand fortgeschrieben werden. Um die Vielfalt und Komplexität des schulischen Bildungsgeschehens angemessen erfassen und die sich daraus ergebenden Aufgaben für Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Aus- und Fortbildung in didaktischer, fachdidaktischer und schulpädagogischer Hinsicht auf dem Stand der gegenwärtigen Wissenschaft bearbeiten zu können, ist es unbedingt erforderlich, die Breite der Bildungsforschung in Maßnahmen des Schul- und Bildungsmonitorings einzubeziehen und bildungstheoretisch zu rahmen.

Bevor weitreichende Veränderungen, z.B. hinsichtlich der Stundentafeln, der Aus- und Fortbildungsangebote oder – wie aktuell in der Diskussion – der Ausrichtung eines Berliner Landesinstituts unter den Prämissen des Gutachtens in Gang gesetzt werden, empfehlen die Unterzeichnenden dringend die Einbeziehung weiterer Expertise mit thematischer und methodischer Breite der Bildungsforschung, insbesondere der Fachdidaktiken der Primarstufe, der Allgemeinen Grundschulpädagogik, der interdisziplinären Bildungsforschung, der Bildungstheorie und der Kindheitsforschung.“