Geschichte sinnlich erfahrbar machen – auf den Spuren der Stillen Helden

Das Museum „Blindenwerkstatt Otto Weidt“ zur Ergänzung des Theaterstücks „Ab heute heißt du Sara“

Dank der Hilfe vieler mutiger Berlinerinnen und Berliner konnte Inge Deutschkron und ihre Mutter die Verfolgungen und Deportationen der Nazidiktatur in Berlin überleben. Für Inge Deutschkron waren sie „Stille Helden“. Einer von ihnen war Otto Weidt, der Besitzer einer Blindenwerkstatt. 

Die Werkstätte war oft die letzte Zuflucht für die verfolgten Arbeiter und Arbeiterinnen sowie ihre Angehörigen. Otto Weidt besorgte für seine von der Deportation bedrohten Angestellten Nahrungsmittel und falsche Papiere. Vermutlich im Januar 1943 gelang es ihm, indem er die Gestapo bestach, die abgeholten Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße zurückzu- bringen. Weidt versteckte mehrere Menschen in einem erhalten gebliebenen fensterlosen Raum der Werkstatt und organisierte weitere illegale Quartiere. Außerdem versuchte er, einer ehemaligen Angestellten zur Flucht aus dem Konzentrationslager zu verhelfen.

Inge Deutschkron leistete 1941 in der zur I.G. Farbenindustrie AG gehörenden Kunstseidefabrik ACETA AG Zwangsarbeit. Absichtlich fügte sie sich eine Knieverletzung zu, sodass sie nach einer ärztlichen Untersuchung entlassen wurde. Nach einem Hinweis der Jüdischen Gemeinde stellte sich die 19-Jährige bei Otto Weidt vor.
Er konnte sie einstellen, weil er Alfred Eschhaus, den Leiter der „Einsatzstelle für Juden“ des Berliner Arbeitsamtes, bestach. Auf Initiative der Familie Gumz tauchten Inge und Ella Deutschkron im Januar 1943 unter und können sich bei dieser verstecken. Otto Weidt beschaffte Inge Deutschkron das Arbeitsbuch einer Nichtjüdin, später einen gefälschten Werkausweis auf den Namen Inge Richter. Etwa zwei Jahre arbeitete Inge Deutschkron in der Blindenwerkstatt. In den letzten Kriegsmonaten gaben sich Inge und Ella Deutschkron als Flüchtlinge vor der herannahenden Roten Armee aus. Mit neuen Ausweisen auf den Namen Richter erlebten sie das Kriegsende in Potsdam.
Otto Weidts Verdienste waren nach dem Kriegsende vergessen, 1947 starb er.
Am 7. September 1971 erkannte Yad Vashem Otto Weidt als „Gerechten unter den Völkern“ an.

1998 entdeckten Berliner Student*innen in der Rosenthaler Straße die Räume der Blindenwerkstatt. Es ist u.a. Inge Deutschkron zu verdanken, dass es in diesen Räumen heute das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt gibt und die Geschichte von Otto Weidt und seinen Mitarbeitenden zeigt. Seit Mai 2023 gibt es auch einen eigenen Raum für und über Inge Deutschkron, die 2022 starb. 

Anhand von persönlichen Dokumenten wie Briefen, Gedichten und Fotografien zeichnet die Ausstellung das eindringliche Bild einer ständig von Verfolgung und Deportation bedrohten Lebenssituation. Zugleich werden die mutigen Versuche der jüdischen Angestellten dokumentiert, ihren Verfolgern zu entkommen, wie auch die dabei unerlässliche Unterstützung von Otto Weidt und dem Kreis seiner Helferinnen und Helfer. Die neugestaltete Ausstellung berücksichtigt umfassend die seither erarbeiteten Forschungsergebnisse zur Lebensgeschichte und zum Wirken von Otto Weidt, zu seinen Hilfsaktionen für Deportierte im Ghetto Theresienstadt und zu den Biografien der von ihm Unterstützten. Otto Weidts Mut und Unerschrockenheit bleiben einzigartig.

Praktische Informationen

Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt
 in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand Rosenthaler Straße 39
 Erster Hof, linker Aufgang
 10178 Berlin
 Tel. +49 (0)30- 28 59 94 07
 E-Mail: info@museum-blindenwerkstatt.de www.museum-blindenwerkstatt.de 

Öffnungszeiten: Mo – Fr 9 – 18 Uhr | Sa, So und an Feiertagen 10 – 18 Uhr 
Eintritt frei 
Verkehrsverbindung: S-Bahnhof Hackescher Markt | U-Bahnhof Weinmeisterstraße 

Die Geschichte von Otto Weidt wurde mit Edgar Selge in der Hauptrolle verfilmt: