Testlauf Audiodeskription am 21.10.23
Es ist kein Zufall, dass sich bei der Beerdigung von Inge Deutschkron, am 9. März 2022
auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof, Martina Wiemers von der deutschen Hörfilm gGmbH, mit einer Arbeitsgruppe, teils sehbehinderter Menschen, zu zeitgeschichtlichen Geschehen, und GRIPS Theaterleiter Philipp Harpain über den Weg laufen. Sie eint die Verbundenheit mit Inge Deutschkrons Leben und Überleben während der Nazizeit. Martina und ihre Gruppe hatten sich auf dem Friedhof verlaufen, und Philipp geleitete die Gruppe zum Ausgang.
Auf diese Weise kam man ins Gespräch. Und es stellte sich heraus, dass Martina Wiemers und ihre Arbeitsgruppe ein großes Interesse am GRIPS Stück „Ab heute heißt du Sara“ und insbesondere auch an der Geschichte von Otto Weidt haben. Er wird in der sehbehinderten Community sehr verehrt als blinder Held.
„Otto Weidt betrieb als Kleinunternehmer ab 1940 eine Bürstenbinderei in Berlin-Mitte.
Er hatte dieses Handwerk erlernt, als sich seine Erblindung abzeichnete und er ein neues Arbeitsfeld suchte, das er auch mit schwindendem Sehvermögen ausfüllen konnte.
In der Werkstatt im Hinterhof der Rosenthaler Straße 39 beschäftigte er während des Zweiten Weltkriegs hauptsächlich blinde und gehörlose Juden, um sie vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Die Werkstatt war oft die letzte Zuflucht für die verfolgten Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Angehörigen. Wenn jemand untertauchen musste, besorgte Weidt Nahrungsmittel und falsche Papiere, organisierte Verstecke. Sogar in seiner Bürstenwerkstatt lebten Illegale in einem geheimen Hinterzimmer. Als 1942 alle seine jüdischen Arbeiterinnen und Arbeiter zum Abtransport ins KZ abgeholt worden waren, gelang es ihm durch Bestechung der Gestapo, seine Leute wieder aus dem Sammellager herauszuholen.
Vielen konnte Weidt mit seinem Mut, mit Zielstrebigkeit und Ideenreichtum, in der Not helfen. Von den 33 jüdischen blinden und tauben Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in seiner Werkstatt gearbeitet hatten, überlebten sieben die Nazi-Zeit.“ (zitiert aus: https://hoerfilm.khmm.de/die-blindenwerkstatt-otto-weidt/)
„Ab heute heißt du Sara“ beruht auf Inge Deutschkrons autobiografischen Buch
„Ich trug den gelben Stern“ und schildert in 33 Bildern ihr Leben ab 1933 als jüdisches Mädchen und junge Frau während des Nationalsozialismus bis zum Kriegsende in Berlin. Eine wichtige Rolle in diesen Jahren spielt in Inges Leben Otto Weidt. Er stellt Inge, allen Gesetzen zum Trotz, als Bürokraft in seiner Besen- und Bürstenbinderei ein.
Otto Weidt ist im Stück neben Inge, wichtiger Protagonist und viele wichtige Szenen des Stücks spielen in der Blindenwerkstatt. Das Stück erzählt von seiner Reise nach Ausschwitz, wo er fast vollständig erblindet, seiner Geliebten Alice zur Flucht aus dem KZ verhilft.
Und so freut es uns riesig, dass wir am Samstag, den 21. Oktober 2023 das erste Mal quasi als Testlauf das Theaterstück „Ab heute heißt du Sara“ mit Audiodeskription anbieten. Es macht das Theaterstück blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich. Martina Wiemers, Geschäftsführerin von der deutschen Hörfilm, hat in einem Team aus sehenden und blinden Autor*innen und Redakteur*innen ein Skript erstellt, dass live eingesprochen wird.
So wird Visuelles in Auditives „übersetzt“: Sichtbares wird hörbar gemacht. Zentrale Handlungselemente, sowie Kostüme, Gestik, Mimik und Dekors, werden in lebendige Worte gefasst, und in die Dialogpausen eingesprochen. Das Ziel ist, bei jedem Set wenigstens eine Vorstellung von „Ab heute heißt du Sara“ mit Audiodeskription anzubieten.
Wir wünschen vielen Menschen die Möglichkeit, diesen mutmachenden Menschen, Inge Deutschkron und Otto Weidt hier am GRIPS bei „Ab heute heißt du Sara“, jetzt auch mit Hörfilm, begegnen zu können.
Ganz toll.
Ich weiß von den Räumen, die als Verstecke galten in der Anne-Frank-Gedenkstätte mit den Otto Weidt Werkstätten, die erst viel später bei Sanierungen entdeckt wurden. Auch ganz tolles Konzept der integrierten Galerie „neurotitan“, die für junge und kreative Leute eine internationale Begegnungsstätte bedeutet. Es dient der wichtigen Völkerverständigung. Ein letzter Transport mit Lin Jaldati und Anne Frank ist in dem wirklich tollen Buch beschrieben „Versteck unter Freunden“. Ich kenne noch Lin und die Familie Freudenheim, die die Kinderoper „Brundibar“ in Theresienstadt miterlebt hat. Auch ein großartiges humorvolles Buch ist von Fanny Fenelon „Der Mädchenchor von Auschwitz“. Danke für diese Erinnerungskultur. Birgit Schöne
Liebe Birgit, auch vielen Dank für deinen Kommentar.