„Uns wird in den zukünftigen Jahren kein anderes Thema so grundlegend beschäftigen“

Regisseur Robert Neumann im Gespräch über Kirsten Fuchs‘ Stück „Der Bus brennt“

Bereits zum fünften Mal hat Autorin und Schriftstellerin Kirsten Fuchs ein Theaterstück fürs GRIPS geschrieben. Seit jeher hat Kirsten die besondere Fähigkeit, den Themen in ihren Texten nicht nur eine kluge Tiefe zu verleihen, sondern ihre Figuren auch mit diesem speziellen Humor auszustatten. Schräg, gewitzt und das Herz auf der Zunge.
Regisseur Robert Neumann inszeniert nun nach dem GRIPS-Erfolgsstück „Alle außer das Einhorn” zum zweiten Mal einen Text von ihr. Dank seiner starken inszenatorischen Bilder und seinem Blick für zeitgenössische Ästhetiken, schimmern Kirstens Dialoge auf der Bühne in allen Farben. Auch bei Themen, die, wie in “Der Bus brennt”, wichtiger und bedrohlicher nicht sein könnten: Die Klimakrise und ihre Folgen! 

GRIPS-Dramaturg Tobias Diekmann hat mit Robert Neumann über das Stück gesprochen:

GRIPS: Was ist das Besondere an „Der Bus brennt“?
Robert Neumann: Die Autorin Kirsten Fuchs verlegt das Stück in die nahe Zukunft, konkret ins Jahr 2034, in eine Zeit, in der wir noch einige Schritte weiter in die Klimakatastrophe gestolpert sein werden. Das bedeutet, die Figuren wissen mehr als wir heute, haben mehr Erfahrungen mit Extremwetter gemacht, sind ein Stück weit geschulter im Umgang.
Ihr gelingt es in der Figurenaufstellung, einen Schnitt durch die Gesellschaft auf die Bühne zu bringen, der unterschiedlichste Sichtweisen und Verhaltensmuster zeigt. Figuren, die, wie heute, den Aktivismus leben, und welche, die sich weiter nach dem ungestörten, ruhigen, konsumgeprägten Leben sehnen, bis hin zur fast schon hohlen Parole „Es gibt für alles eine Lösung“. Dass diese Lösung mit kompletter Umstellung zu tun hat, ist in der Aussage nicht eingepreist, wird aber von den Figuren erlebt.
Alle fünf Figuren sind jung, zwischen 13 und 15 Jahre alt, alle haben ein Leben vor sich und alle sind durch ein unvorhergesehenes Ereignis zu einer gemeinsamen Problemlösung angehalten. Ein kluger, aktueller und teilweise hoch komischer Ansatz.

GRIPS: Warum bleibt es wichtig, für ein junges Publikum über die Klimakrise zu erzählen?
Robert Neumann: Wenn wir heute Recherchen in einer Schulklasse betreiben und sie befragen, wer sich für den Klimaschutz engagiert, dann liegt das Ergebnis geschätzt zwischen 2- und 10 %. Wenn wir fragen, wer sich um die Zukunft sorgt oder wen die Klimakatastrophe ängstigt, dann melden sich gefühlt immer 90 % der Schüler*innen. Das Stück nimmt junge Menschen in ihren Hoffnungen, Ängsten, der Lösungssuche und Lebensentwürfen ernst und bietet eine Fläche des Diskurses. Für mich ist neben aktivem Klimaschutz und der gesamtgesellschaftlichen Transformation, der Austausch und der Dialog einer der Schlüsselansätze, damit sich die Gesellschaft auf die zukünftigen massiven Herausforderungen einstellen kann. Im besten Fall kann Theater auf einem Weg zu einer Resilienz/Widerstandsfähigkeit bzw. zum Erkennen derselben beitragen.

GRIPS: Wieso müssen wir uns weiterhin künstlerisch mit dem Thema auseinandersetzen?
Robert Neumann: Uns wird in den zukünftigen Jahren kein anderes Thema so grundlegend beschäftigen wie die klimatische Transformation. Ganz zu schweigen vom größten Artensterben, was im Schatten der medial präsenten Klimakrise stattfindet. Wir müssen uns als Künstler*innen fragen, inwiefern wir uns in unserer Kunst mit der Entfremdung von Natur beschäftigen. Wir betrachten die Natur aus unseren wohlig klimatisierten Lebensräumen, bezeichnen die brandenburgischen Holzabbauplantagen mit dem Wort Wald und freuen uns über einen blühenden Balkon in der Großstadt. Dass wir Teil dieser Natur sind, verwandt mit Hummel und Mauersegler, fällt schwer zu sehen. Ich bin der Meinung, dass auch in der Kunst die Auseinandersetzung mit der Natur in all ihren Facetten in den kommenden Jahren einen großen Stellenwert bekommen muss und wird.

GRIPS: Welchen Beitrag kann das Theater konkret für mehr Klimagerechtigkeit leisten?
Robert Neumann: Da gibt es auf der einen Seite den Theaterbetrieb, der mit all seinen Vorstellungen und Produktionen, den Scheinwerfern, Heizungen, Gastspielen, dem schnellen Entsorgen von Dekorationsmaterial etc. viel CO2 emittiert und auch selten nachhaltig produziert. Diese Prozesse sind aber schon im Fokus und werden, wenn auch nur langsam, umgestellt.
Für unser junges Publikum können wir die Themen noch konkreter behandeln, indem wir unser Narrativ dahingehend auslegen und ausloten. Wir können aber auch hier die Natur konkret erfahrbar machen, wenn wir rund um die Aufführungsorte nach versiegelten Flächen Ausschau halten, diese renaturieren und mit unserem Publikum zu einer größeren Biodiversität in kleinem Rahmen beitragen. Das sind viele kleine Schritte, die aber, wenn sie ein mittelgroßes Unternehmen wie ein Theaterbetrieb gemeinsam geht, auch wieder eine größere Energie freisetzen.

Robert Neumann studierte Schauspiel an der HfS Ernst Busch und schloss 2004 mit Diplom ab. Seine Engagements führten ihn u. a. an das Deutsche Theater Berlin, das Staatstheater Braunschweig und das Theater Magdeburg. Neben der Tätigkeit als Schauspieler, gab er 2010 sein Debüt als Regisseur mit der Inszenierung »BIG DEAL?« von David S. Craig am GRIPS Theater Berlin. Zahlreiche Regiearbeiten folgten, u.a. am Schauspiel Stuttgart, dem Düsseldorfer Schauspielhaus sowie in Halle, Potsdam und Berlin. Lehrtätigkeiten führten ihn an die HfS Ernst Busch, die HMT Leipzig und für das Goethe Institut nach Brasilien und Pakistan. 2021 gründete er mit Jan Schroeder die freie Gruppe »kollektiv:-proton«, die sichmit theatralen Formen im ländlichen Raum und interdisziplinären Arbeitszusammenhängen beschäftigt